February 2015


Wien, 24. Februar 2015. In der Kinderradiologie untersuchen RadiologInnen ihre kleinen PatientInnen von Kopf bis Fuß und dies benötigt eine besondere Expertise und Ausbildung. Kinder unterliegen bei allen bildgebenden Untersuchungen einer deutlich höheren Strahlensensibilität als Erwachsene und erfordern daher eine differenzierte Herangehensweise, insbesondere in Bezug auf die Wahl der Untersuchungsmethode. Aufgrund der deutlich höheren Lebenserwartung im Vergleich zu erwachsenen PatientInnen ist bei Verfahren mit Röntgenstrahlung besondere Vorsicht geboten.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, dieser Satz beschreibt alle Unterschiede. Die hohe Strahlensensibilität, und das damit verbundene Risiko der kleinen PatientInnen, lässt die KinderradiologInnen rastlos nach einer Reduktion der Strahlendosis forschen, sowie an alternativen bildgebenden Verfahren arbeiten. Aufgrund der höheren Strahlenempfindlichkeit ist das „ALARA Prinzip – as low as reasonably achievable“ – sehr wichtig. Kinder haben ihr Leben vor sich und ein strahleninduzierter Tumor braucht 20 bis 30 Jahre um sich zu manifestieren“, so Prof. Erich Sorantin, Suppl. Leiter der Klinischen Abteilung für Kinderradiologie an der Universitätsklinik für Radiologie der der Medizinischen Universität Graz.

Kommunikation spielt entscheidende Rolle in der Kinderradiologie

Die PatientInnen-Kommunikation ist essentiell und findet in der Kinderradiologie auf verschiedenen Ebenen statt, von der nonverbalen bei Säuglingen und Kleinkindern bis hin zum ernsthaften Gespräch mit Jugendlichen. Will man diese Kommunikation bestmöglich gestalten, so gibt es hier verschiedene Punkte, die beachtet werden müssen. „Einmal kindergerechtes Umfeld, denken Sie daran, dass selbst ein Ultraschall schon beängstigend sein kann. Also kindergerechte, helle und freundliche Umgebung im Warte- und Untersuchungsraum, Spielflächen in der Wartezone (nicht jedes Kind ist schwerkrank, viele kommen auch nur zur Kontrolle) und eine gegliederte Wartezone in der auch jeder seine ruhige Ecke finden kann. Das Personal, vom Anmeldeschalter bis zu den RadiologietechnologInnen, muss freundlich und beruhigend auf die Kinder wirken, aber auch auf die Ängste und Fragen der Eltern eingehen. Eine erfolgreiche Untersuchung ist Teamarbeit und betrifft alle Berufsgruppen bis zum Arzt, der weiß wie er untersucht bzw. befundet und die kindlichen Besonderheiten kennt“, so Sorantin.

Klare Unterschiede zur Bildgebung bei Erwachsenen

Diese Fülle von Unterschieden betrifft die Psychologie, Anatomie und Proportionen, Körperaufbau sowie die Physiologie als auch die Strahlensensibilität.

In der Erwachsenenmedizin schwankt das Körpergewicht zwischen 40 kg und 160 kg wodurch sich ein Massefaktor von 4 ergibt. Die Kinderradiologie betreut PatientInnen in einer Altersspanne von Frühgeburten (in etwa ab der 24. Gestationswoche) bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, was einer Gewichtsspanne von 300g bei extremen Frühgeburten bis zu 120 kg bei übergewichtigen Jugendlichen entspricht. Dies kommt einem Massefaktor von 400 gleich. Alle PatientInnen der Kinderradiologie haben natürlich das gleiche Anrecht auf Bildgebung.

„Etwas pointierter könnte man es so ausdrücken: das Anrecht auf Bildgebung steigt nicht mit dem Körpergewicht“, so Prof. Sorantin.

Im Routinebetrieb ist es daher die Aufgabe der Kinderradiologie, die für das Patientenmanagement notwendigen Fragen mit möglichst nicht-invasiven bildgebenden Verfahren, wie Ultraschall und Magnetresonanztomographie, zu beantworten. Bei der Anwendung von Röntgenverfahren müssen diese exakt auf die Fragestellung als auch dem zu untersuchenden Kind angepasst sein.

Umfassende Kenntnisse der alterstypischen Normvarianten, Erkrankungen und Verletzungsmuster sind ein absolutes Muss.

„Das „Geheimnis“ liegt in der richtigen Gruppierung der Kinder“, bemerkt Prof. Sorantin. „Sehen Sie sich eine Schulklasse an, alle im selben Alter, aber völlig unterschiedlich schwer, groß und mit verschiedenen Proportionen. Wir machen in Graz Körperstammaufnahmen nach Gewicht (=Masse) und Extremitäten-Aufnahmen nach Alter, und es scheint so zu sein, dass der Körperdurchmesser wahrscheinlich der beste Paramater ist. Wir bauen gerade einen Prototyp, der das automatisch erfasst. Geplant ist in etwa, dass die PatientInnen durch einen „Schranken“ gehen und der Körperdurchmesser erfasst wird“.

Innovation und Forschung in Graz

Die erwähnte, im Vergleich zu Erwachsenen, höhere Strahlenempfindlichkeit der Kinder ist die Triebfeder für neue Entwicklungen. An der Kinderradiologie Graz werden aus dieser Motivation heraus neue bildgebende Verfahren entwickelt und erforscht.

Eine dieser Eigenentwicklungen ist ein auf Infrarot basierendes Verfahren, ähnlich harmlos wie eine Fernbedienung, welches in Kombination mit schlauer Datenverarbeitung die Erfassung der Atembewegungen des Brustkorbs und Abdomens und sogar Rückschlüsse auf die Zwerchfellbeweglichkeit erlaubt, ohne die Kinder zu berühren.

Neu entwickelte ultraschnelle Sequenzen in der Magnetresonanztomographie erlauben die Darstellung der Zwerchfellbeweglichkeit, sowie die Erfassung und Quantifizierung in Echtzeit. Damit ist es nun möglich, den Erfolg therapeutischer und chirurgischer Eingriffe bei PatientInnen mit eingeschränkter Zwerchfellbeweglichkeit nicht-invasiv zu quantifizieren.

In Kooperation mit der Medizintechnikindustrie können mittels der Magnetresonanztomographie, strahlungsfrei und ohne Injektion von Kontrastmitteln, die Lungenbelüftung und Durchblutung ähnlich der Szintigraphie dargestellt werden. Ein ideales Verfahren insbesondere für chronisch lungenkranke Kinder.

Eine andere, neue Modalität ist die elektrische Impedanz Tomographie (EIT), ein strahlenfreies Verfahren, welches es KinderradiologInnen erlaubt die regionale Lungenluftverteilung in Echtzeit zu beobachten und Abweichungen zu diagnostizieren. Bereits vor 10 Jahren haben MitarbeiterInnen der Abteilung mit KollegInnen der Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Graz begonnen, einen Prototyp zu bauen. EIT Geräte sind mittlerweile kommerziell erhältlich und in Graz wurde das erste EIT Gerät Österreichs gemeinsam von der Pädiatrie und der Kinderradiologie Graz aus dem Forschungsbudget der Medizinischen Universität Graz angeschafft.

Da bei Kindern, insbesondere bei Neu- und Frühgeborenen, das Thoraxskelett noch mehr Knorpel enthält und bei vielen Erkrankungen dieser vulnerablen Patientengruppe der Luftgehalt der Lunge reduziert ist, können Pathologien mittels der Sonographie hervorragend dargestellt werden.

Internationale Kooperationen wie im Rahmen des CEEPUS (Central European Exchange Programm for University Studies – www.ceepus.com) Netzwerks „Image Processing, Information Engineering & Interdisciplinary Knowledge Exchange” ermöglichen die umfassende Evaluierung der Anwendbarkeit und Aussagefähigkeit der Verfahren sowie einen Wissensaustausch auf professionellem Niveau. Diesem Netzwerk gehören derzeit 36 akademische Institutionen aus 14 verschiedenen Ländern an.

Die Klinische Abteilung für Kinderradiologie ist derzeit die einzige universitäre Einheit, die sich mit allen Aspekten der Bildgebung bei Kindern beschäftigt.

„Leider hat der Tag nur 24 Stunden“, bedauert Prof. Sorantin, der mit seinen KollegInnen an der Abteilung für Kinderradiologie im Dauereinsatz für PatientInnen, Lehre und Forschung ist.

Ab 4. März tagen in Wien über 20.000 Radiologen

Beim 27. Europäischen Radiologenkongress (European Congress of Radiology/ECR) vom 4. bis 8. März 2015 im Austria Center in Wien werden auch heuer wieder Spezialisten aus dem Bereich der medizinischen Bildgebung ihr Fachwissen auf den verschiedensten Gebieten austauschen, und die neuesten Erkenntnisse der Forschung präsentieren.

Der ECR ist die Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (European Society of Radiology/ESR), welche weltweit über 62.000 Radiologen vertritt. Mit mehr als 20.000 Teilnehmern aus der ganzen Welt ist der ECR einer der größten medizinischen Kongresse weltweit; zusätzlich bietet er die größte Industrieausstellung in Europa, bei der auf über 26.000 m² mehr als 300 internationale Firmen die neuesten Produkte der Medizintechnik anbieten.


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